Yin Yoga ist ein ruhiger, sozusagen eher passiver Yogastil. Wichtig ist bei diesem Stil vor allem, in die einzelnen Stellungen hinein zu entspannen und dabei den Atem frei fließen zu lassen. Keinesfalls den Atem stocken oder länger anhalten. Das Entspannen in den einzelnen Positionen verbunden mit einem tiefen, ruhigen Atem verhilft zu innerer Ruhe und zum Loslassen von unterschwelligen Spannungen in inneren Organen, Muskeln, Bindegewebe oder Gelenken. Yin Yoga ist daher ein wunderbarer Ausgleich nicht nur zu anderen kräftezehrenden Sportarten (Ballsportarten, Laufen, Skifahren, …) sondern auch zu eher bewegungsorientierten Yoga-Stilen (Bikram, Ashtanga, Vinyasa,. …), um Selbstwahrnehmung, tiefe Entspannung und Loslassen zu erfahren.

Der Übende sollte sich im Yin Yoga von körperlich ausgerichteten Vorgaben und Konzepten lösen. Die Prioritäten heißen: LOSLASSEN, DEHNEN, und KOMPRIMIEREN. Die muskuläre Arbeit steht also nicht im Vordergrund, eher das nach INNENSPÜREN und WAHRNEHMEN.

  • Die einzelnen Stellungen können 3, 5, 7, ja bis zu 10 Minuten und sogar noch länger gehalten werden. Eine Zeit, um den eigenen Körper wirklich zu spüren. Eine Zeit, zum Wahrnehmen, was im Körper geschieht … Oft nimmt man eine latente Daueranspannung in einzelnen Muskeln im Alltag überhaupt nicht mehr bewusst wahr. Um einen Muskel aber wirklich entspannen zu können, ist es ratsam, mindestens 3 Minuten in der Haltung zu bleiben, steigern kann man nach einigen Übungsstunden dann immer noch.
  • Achtung: Immer auf den Körper hören, hineinspüren und nicht schon zu Beginn bis an die äußerste Grenze gehen, vielmehr Stück für Stück in die Haltung hineingleiten oder -fließen. Die Beweglichkeit erhöht sich und Anspannungen können gelindert werden. Der gesamte Energiefluss (Chi oder Prana) in unserem Körper wird harmonisiert.
  • Die Ergebnisse der modernen Faszienforschung zeigen, dass das Bindegewebe, nicht wie lange angenommen einfach ein Füllstoff ist, sondern für unsere Gesundheit, unser Immunsystem und unser gesamtes Wohlbefinden eine immens große Rolle spielt. Neueste Erkenntnisse zeigen, dass die Energiebahnen (Meridiane) in den Faszien verlaufen und deren Harmonisierung durch die langen passiven Dehnungen, eine beruhigende und heilende Wirkung haben.
  • Nicht nur die Muskulatur wird durch das lange Verweilen in einer Position entspannt, auch tiefer liegendes Bindegewebe wird erreicht, also unsere Faszien, Sehnen, Bänder, einige Forscher glauben sogar auch das Knochengewebe.
  • Besonders am Anfang ist es ratsam, auf das ein oder andere Hilfsmittel zurückzugreifen, etwa auf einen Yogagurt,  Yoga Bolster oder Yoga Block. Die Asanas können dann zum einen entspannter gehalten werden und was noch viel wichtiger ist, anatomisch korrekt.
  • Auf körperlicher Ebene wird also Gewebe (Muskel-, Binde-) stimuliert. Das ist sehr wichtig, denn der Körper schaltet, evolutionsbedingt, früher oder später lange nicht benutztes oder gebrauchtes Gewebe einfach ab.
  • Unausgewogenes oder zu anspruchsvolles Training, Verfilzungen oder Vernarbungen können auch verhindern, dass das Gewebe elastisch bleibt. Yin Yoga bietet auf eine sanfte Weise, die Möglichkeit, das Gewebe wieder “anzusprechen“ und somit die Bewegungsfreiheit nicht nur zu erhalten, sondern auch zu erweitern.
  • Ganz nebenbei verhilft Yin Yoga auf der geistig-emotionalen Ebene, dass unser Nervensystem beruhigt wird.
  • Auf der energetischen Ebene stimuliert die Yin-Yoga-Praxis den Fluss der Lebensenergie, im Yoga Prana und im asiatischen Raum Chi genannt. Man kann es spüren, während oder nach einer Asana, als ein leichtes Kribbeln.

Aber worum geht es beim Yin-Yoga genau?

Yin-Yoga sollte nicht als Konkurrenz zu den anderen dynamischen Yogastilen angesehen werden, sondern als Ergänzung. Wie in der asiatischen Kultur, in der Yin und Yang zusammen gehören und eine Einheit bilden. Dabei ist Yang die männliche Energie und somit den Muskeln und der Bewegung zugeordnet und Yin die weibliche Energie, die den Knochen und Gelenken zugeordnet wird und uns zur Ruhe kommen lässt. So ist die Yin-Yoga-Praxis eher passiv.

Der Begründer des Yin-Yoga, Paul Grilley, legt sehr großen Wert darauf, dass jeder Körper anders ist und es folglich auch nicht die “perfekte“ Haltung (Asana) geben kann. Jeder darf beim Yin-Yoga die Ruhe und den Raum, die Position seinem Körper anpassen und nicht umgekehrt.

So ist zum Beispiel ein Merkmal des Yin-Yogas, dass der Rücken immer rund ist. Ganz im Gegensatz zum dynamischeren Yoga, wo der Yogalehrer ständig auf einen aufgerichteten Rücken hinweist. Der runde Rücken trägt zur Dehnung bei und der Übende kann besser in und mit den tieferen Gewebeschichten (Bindegewebe, Faszien) arbeiten.

Welche Wirkung hat Yin Yoga?

Durch die lange Haltezeit, sind die Übungen sehr effektiv. Muskeln, Bänder und Sehnen werden ausgiebig gedehnt. Wie schon weiter oben erwähnt, wird durch das längere Halten auch das tiefer liegende Bindegewebe, die Faszien, sehr gut gedehnt und so erreicht man eine noch höhere Bewegungsfreiheit, Geschmeidigkeit der Gelenke, Weichheit und Flexibilität.

Auf psychischer Ebene verhilft das lange Ausharren in den Positionen, den eigenen Körper (wieder) wahrzunehmen (Schwächen, aber auch Stärken). Es führt zu mehr Selbstakzeptanz und innerer Ruhe.

Wohl.  Wohler. Pudelwohl.

Wohlbefinden in jedem Alter.

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