Beobachte einmal ganz genau, wann du dich an einem ganz normalen Tag nach vorne beugst.

Vielleicht, wenn dir etwas heruntergefallen ist, bei der Gartenarbeit, beim Socken anziehen oder Schuhe binden, … Es kommt also schon öfter vor, dass du dich nach vorne beugst. Leider erfolgt dieses Vorbeugen aus der Sicht deines Rückens meist nicht schonend. Und genau deshalb sind die bewusst durchgeführten Vorbeugen in der Yoga-Stunde so wichtig. Deine Körperrückseite von den Fersen bis zum Kopf wird gedehnt.

Die Mittelachse unseres Körpers, die Wirbelsäule, wird im Yoga als “der“ Energiekanal angesehen. Wie jedem bekannt ist, laufen durch die Wirbelsäule viele Nervenstränge, die Informationen vom Zentralen Nervensystem in den Körper leiten und auch umgekehrt Nervenimpulse von den Extremitäten und dem Körper zum Gehirn.

Außerdem ist die Wirbelsäule verantwortlich für unsere aufrechte Haltung. Der bewusste Wechsel von Beugung und Streckung in den einzelnen Yoga-Übungen lässt den Übenden sich bewusst auseinandersetzen mit Passivität (Hingabe) und Aktivität. Durch das regelmäßige Üben und vor allem das Wechseln zwischen Vor- und Rückbeugen macht den Weg frei für Ausgleich und Harmonie.

Ein Rücken mit verspannten, eventuell auch überspannten Muskeln wird ein weiches, fließendes nach Vorne-Beugen verhindern und auch eine Aufrichtung stark einschränken. So zeichnet sich ein starker Rücken vor allem durch seine Beweglichkeit aus und nicht alleine durch seine kräftige Muskulatur.

 

Um eine Vorbeuge exakt durchzuführen, richtest du zuerst deinen Rücken, deine Wirbelsäule auf, machst dich so gerade wie möglich und dann neigst du dich aus der Hüfte (!) heraus nach vorne (gedanklich die Lendenwirbelsäule in Richtung Oberschenkel drücken). Es mag sein, dass du dann nur wenige Zentimeter nach vorne beugen kannst, aber du spürst dann schon eine leichte Dehnung im Bereich deiner Beinrückseiten. Deine Sitzbeinknochen bleiben am Boden zeigen dabei leicht nach hinten, weiten sich etwas. Dein Nabel lässt du angehoben und vor allem bleibt deine Brustwirbelsäule gerade, so dass dein Brustkorb und dein Herz Weite erfahren kann und nicht zusammengedrückt wird.

Ganz gleich, ob die eine Vorwärtsbeuge sitzend, stehend oder liegend ausführst, deine Füße und Beine sollten aktiv bleiben während der Übung. Versuche gleichmäßig zu atmen und mit jeder Ausatmung noch etwas mehr in die Vorwärtsbeuge hinein schmelzen.

 

So wird auf der physiologischen Ebene deine gesamte Körperrückseite gedehnt. Deine Muskulatur an der Oberschenkelvorderseite hält die Spannung. Vorwärtsbeugen weiten deine Hüften, Leisten, deinen Bauchraum und deinen unteren Rücken, der im Alltag so viel Gewicht tragen muss.

 

Vorwärtsbeugen werden auf emotionaler Ebene eine beruhigende Wirkung zugeschrieben. Du kannst nach innen schauen während der Ausführung, dich entspannen und nach etwas Praxis immer mehr loslassen. Achte auf dich, beobachte deinen Atem. Die Konzentration auf deinen Atem hilft dir, den Dehnungsschmerz besser zu verarbeiten und Widerstände, die sich aufbauen, zu überwinden. Entspannung breitet sich aus. Vorwärtsbeugen stehen im Yoga also im übertragenden Sinne für Hingabe und Loslassen.

 

Typische Vorbeugen:

  • Paschimottanasana (Sitzende Vorbeuge)
  • Prasarita Padottanasana (Sitzende Vorbeuge mit gespreizten Beinen)
  • Uttanasana (Stehende Vorbeuge)

 

Tipps und Tricks

Wenn du dich längere Zeit nicht viel bewegt hast, wirst du feststellen, dass du z. B. nicht mehr so einfach im Stand mit den Fingern den Boden berühren kannst und wenn dich jetzt dein Ehrgeiz packt, weil dein MattennachbarIn mit Leichtigkeit den Boden berühren kann, sei vorsichtig! Mit Ehrgeiz und Erzwingen wollen, wirst du nicht weiterkommen. Du kannst dir dann im ungünstigsten Fall eine Verletzung / Zerrung im unteren Rücken oder in den Oberschenkelrückseiten zuziehen. Nimm dir Zeit und sei geduldig mit dir selbst:

 

  • Im Stehen oder Sitzen kannst du deine leicht Knie

    Vorbeuge mit Gurt

    beugen.

  • Für Einige ist sogar das aufrechte Sitzen mit ausgestreckten Beinen bereits eine Anstrengung. Wenn du das spürst setz dich auf einen Block oder auf ein kleines Kissen und versuche erneut in die Vorwärtsbeuge zu kommen
  • Ein Gurt, der um die vorderen Fußballen gelegt wird, kann ebenfalls helfen, die Wirbelsäule gestreckt zu halten.

 

Sei vorsichtig: Bei Kopfschmerzen Vorbeugen meiden oder nicht so weit hineingehen und bei akuten Bandscheibenproblemen.

 

Wirkung von Vorbeugen

  • Deine     Aufmerksamkeit wird vom Außen auf dein Inneres gelenkt
  • Dehnung der Körperrückseite: Beine, hinterer Gesäßmuskeln und Rücken.     Wirkt Hohlkreuz entgegen.
  • Innere Organe werden während der Übung zusammengedrückt. Vergleiche dies     mit einem Wasserschlauch, der abgeknickt wird. Wasser staut sich und der Druck erhöht sich. Sobald der Knick gelöst wird, fließt das Wasser mit aller Kraft nach und reinigt den Schlauch.
  • Stärken das Immunsystem.

 

Denke beim Üben daran, dass es auf keinen Fall darauf ankommt, mit der Stirn die Knie zu berühren. Versuche die Vorwärtsbeuge(n) beim Üben im Rahmen deiner Möglichkeiten achtsam auszuführen und die positiven Wirkungen werden sich einstellen. Mäßig, aber regelmäßig und vergleiche dich nicht mit anderen. Nicht mit anderen in deinem Yoga-Kurs und nicht mit anderen, die dir womöglich aus einem Hochglanzmagazin entgegenlächeln. Solche Vergleiche bringen niemandem etwas und führen zu Demotivation, eventuell sogar zu Frustration und schlimmstenfalls zu Verletzungen. Eine Zerrung, die man sich aufgrund einer Überdehnung zuzieht, heilt nur langsam aus. Es ist also völlig egal wie weit Du in einer Vorwärtsbeuge nach unten kommst. Da, wo du heute hinkommst, genau dort ist es richtig, verweile dort ohne zu “Wippen“ und lass deinen Atem fließen, tief und gleichmäßig, lächle und hab Freude beim Üben.